Reiseführer : Griechenland : Kreta : Minoische Kultur

  Die Minoische Kultur auf Kreta


Minoische Wandmalerei aus KnossosWer waren nun die Minoer, deren Kultur hier auf Kreta vor rund vier Jahrtausenden zur Blüte kam, zu einer Zeit also, als im restlichen Europa noch tiefste Urzeit herrschte? Wir wissen nicht wirklich viel über sie, und das meiste davon aus der griechischen Mythologie, sozusagen "von Feindeshand geschrieben", da es wohl die Griechen waren, die die minoische Kultur im 15. Jahrhundert vor Christus zu Fall brachten und damit ihren eigenen Aufstieg begründeten.

Fest steht, daß die Minoer prächtige Paläste und, damals schon, große Städte errichteten. Die wichtigste Siedlung in jener Zeit dürfte Knossos gewesen sein, wo sich auch die Residenz des minoischen Herrschers Minos, der legendäre Palast von Knossos befindet. Minos war in der griechischen Mythologie der bedeutendste Herrscher Alt-Kretas. Es ist aber wahrscheinlich, daß sich diese Bezeichnung nicht auf eine einzige historische Person bezieht, sondern eher ein Titel war, so wie "König" oder "Pharao".
Fest steht auch, daß sich Macht und Reichtum der Minoer auf ihrer für die damalige Zeit enorm modernen Flotte begründeten, mit der sie den gesamten Mittelmeerraum beherrschten. Sie betrieben regen Handel mit den Nachbarinseln und auch mit dem griechischen Festland. Darüber hinaus bekämpften sie Piraten und sorgten für die Sicherheit ihrer Nachbarn, und es ist zumindest wahrscheinlich, daß sie sich diese Dienstleistung ordentlich bezahlen ließen: vielleicht mit ein Grund für den Reichtum der Minoer.

Lange waren die Historiker der Ansicht, daß die Minoer ein überaus friedfertiges Volk waren - was mit dem oben geschriebenen nicht ganz einfach in Einklang zu bringen ist. Diese Theorie begründete sich vor allem darauf, daß die Städte auf Kreta kaum Befestigungen aufwiesen. Eine Erklärung dafür könnte aber auch sein, daß die Minoer keine Angriffe von außen fürchteten, weil sie überzeugt waren, daß ihre übermächtige Flotte diese schon lange vor Erreichen der Insel niederschlagen würde. Die "Friedlichkeit" der Minoer wird jedenfalls angezweifelt, seit wir aus archäologischen Funden wissen, daß die Minoer nicht nur Tier-, sondern auch Menschenopfer kannten, daß sie Stierkämpfe veranstalteten, bei denen vielfach wohl auch Menschen zu Tode kamen, und daß sie bei kultischen Handlungen sogar kleine Kinder verspeisten. In keinem allzu friedfertigen Licht erscheinen die Minoer auch in der griechischen Mythologie und besonders in der Legende vom Minotaurus, die aus griechischer Sicht den Untergang der Minoer erzählt:

Der Sohn des kretischen Herrschers Minos nahm damals an den Olympischen Spielen in Griechenland teil; und er gewann so ziemlich alles, was es zu gewinnen gab. Das rief Neider auf den Plan, und diese ermordeten ihn heimtückisch. Verständlicherweise war Minos darüber erzürnt, und er sandte seine Flotte zu einer beispiellosen Strafexpedition gegen Athen. Nachdem die Griechen unterworfen waren, mußten sie sich verpflichten, alle neun Jahre sieben Jünglinge und Jungfrauen aus adeligen Familien nach Kreta zu senden. Dort wurden sie dem Minotaurus zum Fraß vorgeworfen.
Der Minotaurus war ein Fabelwesen, halb Stier, halb Mensch, der in einem Labyrinth auf Knossos lebte. Entsprungen war er der Liebe der Gattin des Minos zu einem weißen Stier (?!). Das Labyrinth wurde natürlich bis heute nicht gefunden. Wahrscheinlich ist allerdings, daß mit dem Labyrinth der riesige Palast von Knossos selbst gemeint war, und ein Blick auf seinen Grundriß macht diese Theorie sehr wahrscheinlich (übrigens: wer je auf Kreta mit einem Mietwagen unterwegs war, wird wahrscheinlich bestätigen können, daß die Kreter ihre Straßen heute genauso "labyrinthisch" bauen wie seinerzeit die Paläste). Der griechischen Mythologie nach war der Minotaurus jedenfalls der Grund für die Unbesiegbarkeit der Minoer.
Schließlich gelang es dem griechischen Helden Theseus, mit Unterstützung von Ariadne, der Tochter des Minos, die sich in ihn verliebt hatte, in das Labyrinth einzudringen und den Minotaurus im Zweikampf zu töten. Damit war die Macht der Minoer gebrochen, und dem Aufstieg Griechenlands stand nichts mehr im Wege.
Das Ende der Mär ist dann allerdings wenig romantisch: nach vollbrachter Tat floh Theseus mit Ariadne nach Naxos - und ließ die Prinzessin dort schmählich sitzen!
Er selbst segelte auf schnellstem Weg nach Griechenland zurück. Allerdings vergaß er im Überschwang der Begeisterung auf das vereinbarte Zeichen, nämlich ein weißes Segel zu setzen anstelle seines schwarzen. Als sein Vater Ägäus das Schiff ankommen sah, glaubte er deshalb an den Tod des Sohnes und stürzte sich aus Verzweiflung ins Meer - dem er damit zu seinen Namen verhalf: Ägäisches Meer.

Soweit die Sage! Doch warum versank die Hochkultur der Minoer wirklich im 15. vorchristlichen Jahrhundert urplötzlich und fast spurlos im Dunkel der Geschichte? Natürlich können wir hier nur spekulieren. Ein Grund dafür könnte ein gigantischer Vulkanausbruch gewesen sein, der etwa zu dieser Zeit rund zwei Drittel der Nachbarinsel Santorini (möglicherweise das legendäre Atlantis?) im Meer versinken ließ. Die dabei entstandene Flutwelle richtete nicht nur erheblichen Schaden auf Kreta an, sondern dürfte auch die "unbesiegbare" Flotte an Land zerquetscht haben. Damit wären die Minoer schutzlos gewesen, und für die Griechen wäre es ein Leichtes gewesen, die Insel zu erobern. Wir wissen jedenfalls, daß sämtliche Minoischen Paläste zu dieser Zeit in Flammen aufgingen, und - da die tragenden Teile und Säulen allesamt aus Holz bestanden - wohl wie Kartenhäuser in sich zusammenstürzten. Ob diese Feuersbrunst eine Folge des Vulkanausbruchs auf der Nachbarinsel (aufgrund der Entfernung doch eher unwahrscheinlich), von inneren Unruhen oder einer Eroberung von außen war, wird wohl für immer eines der Rätsel der Geschichtsforschung bleiben.


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